3040-PS

"Sonderbehandlung erfolgt durch Strang"

Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten.

RdErl. des RFSSuChdDtPol. im RMdI. vom 20. 2. 1942

— S IV D Nr. 208/42 (ausl. Arb.) —

In der Anlage(1) übersende ich Allgemeine Bestimmungen über Anwerbung und Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und genaue Beachtung.

Den Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD habe ich folgende zusätzliche Weisungen zu geben:

A. Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet.

I. Allgemeine Sicherungsmaßnahmen.

(1) Der Einsatz von Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet im Reich birgt trotz der besonderen Beschränkungen der Lebensführung dieser Arbeitskräfte größere Gefahren in sich als jeder andere Ausländereinsatz, zumal in der Praxis, vor allem am Arbeitsplatz, eine restlose Trennung von deutschen oder anderen ausländischen Arbeitern und eine strenge Bewachung vielfach kaum durchgeführt werden wird. Der Sicherheitspolizei obliegt die Verantwortung für die Gefahrenabwehr, und sie muß alles daran setzen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden, d. h. die Gefahrenlage auf ein Mindestmaß herabzudrücken. Da mit Kräfteverstärkung nicht zu rechnen ist, müssen es sich die Inspekteure und die Staatspolizei(leit)stellen besonders angelegen sein lassen, die anderen am Einsatz dieser Arbeitskräfte beteiligten Dienststellen zur Wahrung der sicherheitspolizeilichen Belange in ihrem Zuständigkeitskreis anzuhalten.

(2) Die aus dem Russeneinsatz erwachsenden Aufgaben sind bei den Staatspolizei(leit)stellen in einem Referat zusammenzufassen und in diesem von einem leitenden Kriminalbeamten unter ständiger persönlicher Einschaltung des Staatspolizei(leit)stellenleiters verantwortlich zu führen.

(3) Nach Möglichkeit ist für eine gewisse Anzahl von Betrieben mit Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet ein Beamter zu bestimmen, der die Überwachung dieser Arbeitskräfte am Arbeitsplatz und in der Unterkunft in Verbindung mit den Abwehrbeauftragten leitet.

(4) Soweit in Betrieben mit Arbeitskräften aus altsowjetrussischen Gebieten noch keine politischen Abwehrbeauftragten bestehen, sind solche zu ernennen.

(5) Mangels sonstiger Überprüfungsmöglichkeiten ist unbedingt ein besonders intensiver exekutiver Nachrichtendienst innerhalb dieser Arbeitskräfte aufzubauen, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Verbreitung kommunistischen Gedankengutes und die Gefahr von Sabotagehandlungen zu richten ist.

II. Unterkunft und Bewachung.

1. Von der in Ziffer A V der Anlage 1 vorgesehenen abgesonderten und bewachten Unterbringung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet ist, mit der einzigen Ausnahme der einzeln eingesetzten weiblichen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, auf keinen Fall abzusehen.

2. (1) Für die rechtzeitige Beschaffung der Bewachungsmannschaften in den unter A V 1 b) und c) der Anlage genannten Betrieben ist besonders Sorge zu tragen. Wenn auch die Betriebe und die Reichsarbeitsverwaltung zur intensiven Mithilfe bei Erfüllung dieser Aufgabe verpflichtet sind, liegt die Verantwortung letzten Endes doch bei den Dienststellen der Sicherheitspolizei.

(2) Es ist daher folgendes Verfahren vorgesehen:

a) Die Landesarbeitsämter haben Weisung, laufend mehrere Wochen im voraus zu planen, auf welche Betriebe ihres Bereiches und in welcher ziffernmäßigen Stärke die mit den nächsten Transporten eintreffenden Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet verteilt werden. Sie haben hiervon sofort bei Aufstellung bzw. Ergänzung des Planes den Inspekteuren der Sicherheitspolizei und des SD Kenntnis zu geben. Dieser muß seinerseits dafür sorgen, daß er laufend hierüber unterrichtet ist und ständig mit dem Bezirksobmann der Fachgruppe Bewachungsgewerbe Verbindung halten.

b) Der Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD des Gebietes, in dem Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet neu eingesetzt werden, erhält rechtzeitig vor dem Eintreffen eines jeden Transportes Nachricht von dem Referat IV E 1 b des RSHA.

Er unterrichtet hiervon
das Landesarbeitsamt — Referat Arbeitseinsatz —, das gegebenenfalls noch Umdisponierungen mitzuteilen hat;
den Inspekteur der Ordnungspolizei, vor allem, soweit ein Einsatz in solchen Betrieben erfolgt, in denen seitens der Ordnungspolizei Führungspersonal für die Bewachungsmannschaften abgestellt werden muß;
den Bezirksobmann der Fachgruppe Bewachungsgewerbe mit der Auflage, für die bestimmten Betriebe die Bewachungsmannschaften durch ein oder mehrere Unternehmen bereitzustellen und selbst oder durch das Bewachungsunternehmen mit der für den einzelnen Betrieb örtlichen zuständigen Staatspolizei(leit)stelle Verbindung aufzunehmen;
die örtlich zuständige Staatspolizeileitstelle.

c) Die Staatspolizei(leit)stelle hat alsdann die von den Betrieben erstellten Unterkünfte zu prüfen bezw. prüfen zu lassen. Es ist festzustellen, ob Werkschutz in dem Betriebe vorhanden ist und ob er zahlenmäßig für die Bewachung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet ausreicht. Ist letzteres nicht der Fall, hat die Staatspolizei(leit)stelle für die Ergänzung des Werkschutzes durch das Bewachungsgewerbe zu sorgen. In den Betrieben, in denen kein Werkschutz vorhanden ist, hat sie die Bereitstellung der Bewachungskräfte durch das Bewachungsunternehmen zu überwachen und zu prüfen, ob sie nach Zahl und Eignung den Erfordernissen entsprechen.

(3) Der Einsatz des Bewachungsgewerbes in geschützten Betrieben ist mit dem OKW. abgesprochen. Die Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz im Vierjahresplan wird den Zentralbehörden, denen staatliche Betriebe mit eigenem Wachdienst unterstehen, die Mitteilung zugehen lassen, daß sie Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet nur zugeteilt erhalten können, wenn sie die Bewachung der Arbeitskräfte durch den für diese Betriebe vorgesehenen Wach-dienst gewährleisten. Da eine schlechte Bewachung der Arbeitskräfte etwa in diesen Betrieben die allgemeine Sicherheit gefährdet, werden die Staatspolizei(leit)stellen auch der Bewachung dieser Betriebe ein Augenmerk zu schenken und Schwierigkeiten dem RSHA. zu melden haben.

(4) Trotz aller Vorsorge werden gerade bei der Bereitstellung des erforderlichen Bewachungspersonals zahlreiche Schwierigkeiten auftreten. Diese sind nach besten Kräften örtlich zu beheben und widrigenfalls durch FS. zu melden.

3. Mit der Ausübung der Aufsicht über die Bewachung dieser Arbeitskräfte ergeben sich für die Staatspolizei(leit)stellen vor allem folgende Pflichten:

a) Bestätigung des Leiters der Bewachung sowie dessen Vertreters.

In Betrieben mit Werkschutz wird der Leiter der Bewachung in der Regel der Werkschutzleiter sein. In den Betrieben, in denen ausschließlich Kräfte des Bewachungsgewerbes eingesetzt sind oder werden, ist der von der Ordnungspolizei zur Verfügung gestellte Beamte — auf dem Lande in der Regel der Gendarmeriebeamte — zum Leiter der Bewachung zu bestimmen. Leiter und Vertreter müssen, soweit nicht beamtete Polizeikräfte zur Verfügung stehen, Hilfspolizei-beamte sein. Bei größeren Lagern werden gegebenenfalls noch einige wenige weitere geeignete Kräfte zu Hilfspolizeibeamten zu ernennen sein, da ständig ein Hilfspolizeibeamter greifbar sein muß. Es ist jedoch darauf zu achten, daß nur in dem unbedingt notwendigen Umfange Bewachungskräfte zu Hilfspolizei-beamten ernannt werden.

b) Belehrung des Werkschutzes und des Bewachungspersonals.

Die Wachmänner haben sich von den sowjetrussischen Arbeitskräften strengstens fernzuhalten und dürfen mit ihnen außerhalb des Dienstes kein überflüssiges Wort sprechen. Sie haben energisch den Lagerinsassen gegenüber aufzutreten, dürfen aber ihnen gegenüber keine Ungerechtigkeiten begehen.

c) Das Verhalten der Wachmänner ist laufend zu prüfen. Disziplinlosigkeiten der Kräfte des Werkschutzes und des Bewachungsgewerbes sind mit staatspolizeilichen Mitteln zu ahnden.

d) Auswahl derjenigen deutschen Kräfte aus dem Betriebspersonal, die nebenamtlich mit besonderen Werkschutzfunktionen den Russen gegenüber versehen werden.

Da von den Bewachungsmannschaften am Arbeitsplatz nur wenig Kräfte eingesetzt werden können, ist die erforderliche Anzahl von deutschen Vorarbeitern und Meistern mit diesen Werkschutzfunktionen zu betrauen. Die hierfür ausgesuchten Männer müssen politisch zuverlässig, charakterlich einwandfrei sein und energisch durchgreifen können. In Betrieben mit hauptamtlichem Werkschutz sind die nebenamtlichen Werkschutzmänner dem Werkschutzleiter zu unterstellen. In Betrieben ohne hauptamtlichen Werkschutz ist aus ihnen ein nebenamtlicher Werkschutzleiter zu bestellen, dem die Beaufsichtigung der nebenamtlichen Werkschutzmänner obliegt. Die Werkschutzleiter sind für eine laufende Belehrung der Wachmänner in vorstehendem Sinne verantwortlich. Die Staatspolizei(leit)stellen haben sich durch Stichproben hiervon zu überzeugen und gegebenenfalls eine Ergänzungsausbildung unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse zu veranlassen.

e) Allgemeine Anweisungen an die Wachmänner nach anliegendem Muster (siehe Anlage)(2).

f) Sonderanweisungen an die Wachmänner in Einzelfällen oder bei örtlich auftretenden Sonderfragen.

Aufgabe der Wachmänner ist lediglich die Bewachung und Erhaltung der Disziplin der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet. Besondere Verwaltungsfragen sind ihnen nicht zu übertragen. Die Verwaltung der Lager ist vielmehr eine besondere Angelegenheit des Betriebes, auch die Führung eines Lagerbuches bezw. einer Lagerkartei zählt hierzu. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß der Leiter der Bewachung Vorstellungen erheben kann, wenn Mängel der Verwaltung die Durchführung sicherheitspolizeilicher Aufgaben gefährden.

III. Bekämpfung der Disziplinwidrigkeit.

(1) Entsprechend der Gleichsetzung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet mit Kriegsgefangenen muß eine straffe Disziplin in den Unterkünften und am Arbeitsplatz herrschen. Disziplinlosigkeiten, zu denen auch pflichtwidrige Arbeitsverweigerung und lässiges Arbeiten mitgehören, werden ausschließlich von der Geheimen Staatspolizei bekämpft. Die leichteren Fälle werden von dem Leiter der Bewachung nach Weisung der Staatspolizei(leit)stellen mit den in der Anlage vorgesehenen Maßnahmen erledigt. Zur Brechung akuten Widerstandes wird den Wachmännern auch eine körperliche Einwirkung auf die Arbeitskräfte zu erlauben sein. Doch darf hiervon nur aus zwingendem Anlaß Gebrauch gemacht werden. Die Arbeitskräfte sollen stets darüber belehrt werden, daß sie bei disziplinvollem Verhalten einschließlich guter Arbeitsleistung anständig behandelt werden.

(2) In schwereren Fällen, d. h. in solchen, in denen die dem Leiter der Bewachung zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht ausreichen, hat die Staatspolizei(leit)stelle mit ihren Mitteln einzugreifen. Dementsprechend wird in der Regel nur mit harten Maßnahmen, d. h. Einweisung in ein Konzentrationslager oder Sonderbehandlung, vorzugehen sein.

(3) Die Einweisung in ein Konzentrationslager erfolgt auf dem üblichen Wege.

(4) In besonders schweren Fällen ist beim Reichssicherheitshauptamt Sonderbehandlung(3) unter Angabe der Personalien und des genauen Tatbestandes zu beantragen.

(5) Die Sonderbehandlung(3) erfolgt durch Strang. Sie soll nicht in unmittelbarer Umgebung des Lagers stattfinden. Eine gewisse Anzahl von Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet soll der Sonderbehandlung beiwohnen; ihnen ist dabei der Tatbestand, der zur Sonderbehandlung führte, warnend bekanntzugeben.

(6) Sollte aus Gründen der Lagerdisziplin ausnahmsweise Sonderbehandlung im Lager erforderlich sein, ist dies mit zu beantragen.

IV. Reichsfeindliche Bestrebungen.

Reichsfeindliche Bestrebungen, insbesondere Verbreitung kommunistischen Gedankenguts, Zersetzungspropaganda, Sabotageakte, sind mit schärfsten Maßnahmen zu bekämpfen. Durch schnellen Zugriff darf die Sorgfalt bei der Anstellung von Ermittlungen nicht leiden, um den gesamten Täterkreis zu erfassen. Reichsfeindliches Verhalten ist in der Regel durch Sonderbehandlung zu ahnden, in leichteren Fällen wird Einweisung in ein Konzentrationslager in Frage kommen.

V. Kriminelle Verfehlungen.

(1) Kriminelle Verfehlungen werden grundsätzlich — gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb des Lagers begangen — mit staatspolizeilichen Maßnahmen geahndet. Die Ermittlungen sind, soweit erforderlich, von den Kriminalpolizei(leit)stellen zu führen.

Den Kreispolizeibehörden ist vorsorglich Weisung gegeben, Ermittlungsvorgänge vor Abgabe an die Staatsanwaltschaft der zuständigen Staatspolizei(leit)stelle vorzulegen.

(2) Kriminelle Delikte sind im allgemeinen als Disziplinwidrigkeiten zu ahnden, d. h. bei leichteren Vergehen finden die vorgesehenen staatspolizeilichen Maßnahmen, bei Verbrechen — wie Mord, Totschlag, Raub — Sonderbehandlung Anwendung.

(3) Bei Kapitalverbrechen an deutschen Personen kann im Einzelfall allerdings eine strafrechtliche Aburteilung zweckmäßig erscheinen. Hält die Staatspolizei(leit)stelle einen solchen Fall für gegeben, kann sie den Vorgang unter der Voraussetzung an die Staatsanwaltschaft abgeben, daß nach den strafrechtlichen Bestimmungen sicher mit der Verurteilung des Täters zum Tode zu rechnen ist.

VI. Geschlechtsverkehr.

Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs ist den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet verboten. Durch die streng abgeschlossene Unterbringung haben sie an sich auch keine Gelegenheit dazu. Sollte es dennoch — insbesondere bei den in der Landwirtschaft einzeln eingesetzten Arbeitskräften — zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommen, ist wie folgt zu verfahren:

1. Für jeden Geschlechtsverkehr mit deutschen Volksgenossen oder Volksgenossinnen ist bei männlichen Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet Sonderbehandlung, bei weiblichen Arbeitskräften Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen.

2. Bei Geschlechtsverkehr mit anderen ausländischen Arbeitern ist das Verhalten der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet als schwere Disziplinwidrigkeit mit Einweisung in ein Konzentrationslager zu ahnden.

VII. Maßnahmen wegen Umgangs mit Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet.

(1) Eine besondere Beachtung ist der grundsätzlichen Trennung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet von der deutschen Bevölkerung zu schenken. Es kommt darauf an, ein Eindringen kommunistischen Gedankengutes in die deutsche Bevölkerung durch Unterbindung jedes nicht unmittelbar mit der Arbeit zusammenhängenden Umganges zu verhindern und nach Möglichkeit jede Solidarität zwischen deutschen Menschen und den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet zu vermeiden. Gegen Deutsche, die dem zuwiderhandeln, ist mit den nach der Lage des Einzelfalles gebotenen staatspolizeilichen Maßnahmen vorzugehen.

(2) Sollten sich deutsche Volksgenossen oder Volksgenossinnen mit Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet in Geschlechtsverkehr oder unsittliche Handlungen einlassen, ist gegen sie die Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen.

(3) Sicherheitspolizeiliche Gefahren birgt auch in hohem Maße der Verkehr der anderen im Reich eingesetzten ausländischen Arbeiter mit den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet in sich; er ist deshalb auch mit Maßnahmen gegen die ausländischen Arbeiter zu bekämpfen. In der Regel wird hierbei die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager (bei den Italienern Abschiebung) in Frage kommen; dies gilt auch für Fälle des Geschlechtsverkehrs.

VIII. Fahndung.(4)

(1) Flüchtige Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet sind grundsätzlich im Deutschen Fahndungsbuch auszuschreiben. Ferner sind örtliche Fahndungsmaßnahmen zu veranlassen.

(2) Bei Ergreifung ist der Flüchtling grundsätzlich zur Sonderbehandlung vorzuschlagen.

IX. Bearbeitung im Reichssicherheitshauptamt.

(1) Anträge, Meldungen, Rückfragen, die sich aus der Behandlung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet nach den vorstehenden Weisungen ergeben, sind dem für die Bearbeitung von Sowjetrussen zuständigen Referat IV A 1 des Reichssicherheitshauptamtes zuzuleiten(5).

(2) Lediglich Fragen und Meldungen, die sich speziell auf die Bewachung dieser Arbeitskräfte beziehen, sind an das Referat IV E 1 b des Reichssicherheitshauptamtes zu richten.

B. Arbeitskräfte aus den Baltenländern und fremdvölkische Arbeitskräfte nicht-polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten.

I. Allgemeines.

(1) Diese Arbeitskräfte sind staatspolizeilich im Reich einheitlich zu. behandeln. Auf Grund der politischen Einstellung dieser Völker bezw. Volksstämme zum Reich einerseits und ihrer Stellung im Ostraum andererseits unterliegen sie den allgemein für ausländische Arbeitskräfte geltenden Bestimmungen, sind aber in ihrer Lebensführung besonderen Einschränkungen unterworfen.

(2) Diese Beschränkungen beziehen sich im wesentlichen auf eine äußerlich erkennbare Trennung der genannten Arbeitskräfte von dem deutschen Menschen. Da der Einsatz und die Unterbringung dieser Arbeitskräfte nicht streng abgeschlossen und bewacht erfolgt, ist es Aufgabe der Geheimen Staatspolizei, auf die Einhaltung des gegebenen Grundsatzes besonders zu achten. Sie hat durch laufende Verbindung mit den am Ausländereinsatz beteiligten Dienststellen darauf hinzuwirken, daß bei allen Arbeitseinsatzmaßnahmen diesem Grundsatz Rechnung getragen wird. Eine Seßhaftmachung dieser Personen im Reich, eine Einzelunterbringung trotz vorhandener Sammelunterkünfte, eine dem deutschen Arbeiter vorgesetzte Stellung am Arbeitsplatz u. ä. m. darf nicht geduldet werden. Soweit diese Arbeitskräfte selbst gegen den aufgestellten Grundsatz verstoßen und durch Widersetzlichkeit, Tätlichkeiten sich unberechtigt gegen Deutsche vergehen, wird einem solchen Verhalten mit staatspolizeilichen Maßnahmen zu begegnen sein.

(3) Diese Arbeitskräfte dürfen aber wegen der grundsätzlich gegnerischen Einstellung ihrer Völker zum polnischen Volke und zum Bolschewismus keineswegs den Polen oder den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet gleichgestellt werden. Dennoch ist ihnen — besonders auch durch Ausbau eines exekutiven Nachrichtendienstes innerhalb dieser Arbeitskräfte — ein besonderes Augenmerk zu widmen, da ihre aufgelockerte Haltung gegenüber dem Deutschen Reich gegebenenfalls durch Nichterfüllung überspannter politischer Erwartungen in das Gegenurteil umschlagen, zumindest aber sich versteifen könnte.

II. Reichsfeindliche Bestrebungen.

Reichsfeindlichen Bestrebungen wie Sabotagehandlungen, kommunistisch-marxistischer Agitation, deutschfeindlichen Äußerungen, Streikhetze, ist unter Berücksichtigung des Vorhergesagten mit aller Schärfe unter Anwendung der üblichen staatspolizeilichen Maßnahmen entgegenzutreten.

III. Bekämpfung des Arbeitsvertragsbruchs.

(1) Die Bekämpfung des Arbeitsvertragsbruchs dieser Arbeitskräfte obliegt in erster Linie der Geheimen Staatspolizei.

(2) Dies bedeutet selbstverständlich keinen Eingriff in die Tätigkeit des Reichstreuhänders der Arbeit bei der Regelung und Schlichtung betrieblicher Schwierigkeiten mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, soweit kein exekutives Einschreiten erforderlich ist. Der Reichstreuhänder der Arbeit wird bei Notwendigkeit schärferer Maßnahmen die Vorgänge der Geheimen Staatspolizei zuleiten.

(3) In jedem Fall hat jedoch die Staatspolizei(leit)stelle zu prüfen, ob nicht die Verletzung der Arbeitspflicht seitens dieser Arbeitskräfte auf ein Verschulden des Betriebes durch Nichteinhaltung der vertraglichen Verpflichtungen sowie allgemeine schlechte Behandlung zurückzuführen ist. Erscheint das Verhalten der betreffenden Arbeitskräfte durch Verschulden seitens des Betriebes gerechtfertigt, ist staatspolizeilich nicht einzuschreiten, da es sich um freie Arbeitskräfte handelt.

(4) Andernfalls ist aber sofort durchzugreifen und bei Verletzung der Arbeitsvertragspflicht seitens dieser Arbeitskräfte in der Regel die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager zu verfügen. In schwereren Wiederholungsfällen kann auch die Einweisung in ein Konzentrationslager beantragt werden. In den staatspolizeilich behandelten Fällen des Arbeitsvertragsbruchs ist der Reichstreuhänder der Arbeit von der Entscheidung jeweils zu unterrichten.

IV. Kriminelle Verfehlungen.

(1) Bei allen von den genannten Arbeitskräften begangenen kriminellen Verfehlungen sind die Ermittlungsvorgänge von den Ortspolizeibehörden, Gendarmeriedienststellen bezw. Kriminalpolizei(leit)stellen nach Abschluß der Ermittlungen zunächst den Staatspolizei(leit)stellen zuzuleiten.

(2) Die Kreispolizeibehörden haben entsprechende Weisung erhalten. Die Einschaltung der Staatspolizei(leit)stellen dient dem Zweck, diesen eine Übersicht über die Kriminalität der Ostarbeiter in ihren Bezirken zu verschaffen und außerdem besonders verwerfliche Straftaten durch staatspolizeiliche Maßnahmen zu ahnden.

(3) Die dort vorgelegten Ermittlungsvorgänge sind wie folgt zu behandeln:

Sittlichkeitsdelikte, Gewaltverbrechen und Sabotagehandlungen sind grundsätzlich durch staatspolizeiliche Maßnahmen (Sonderbehandlung) zu ahnden; jedoch habe ich gegen eine Abgabe der Ermittlungsvorgänge an die zuständige Staatsanwaltschaft dann keine Bedenken, wenn nach den geltenden strafrechtlichen Bestimmungen sicher mit der Verurteilung des Täters zum Tode zu rechnen ist. In diesen Fällen ist der Ausgang des Strafverfahrens festzustellen; sollte wider Erwarten nicht auf Todesstrafe erkannt werden, ist mir unter Beifügung der Urteilsabschrift zu berichten.

Wegen anderer Delikte entstandene Ermittlungsvorgänge sind in der Regel an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben. Wird auf bestimmten Gebieten eine starke Zunahme der 'strafbaren Handlungen festgestellt, so bestehen allerdings keine Bedenken, aus Abschreckungsgründen auch rein kriminelle Delikte durch staatspolizeiliche Maßnahmen zu ahnden.

V. Fahndung nach flüchtigen Arbeitskräften.

Hinsichtlich des Fahndungsverfahrens nach arbeitsflüchtigen Personen finden die für polnische Zivilarbeiter geltenden Vorschriften sinngemäß Anwendung.

VI. Geschlechtsverkehr mit Deutschen.

(1) Der Geschlechtsverkehr der Arbeitskräfte aus den Baltenländern sowie der fremdvölkischen Arbeitskräfte nicht-polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten mit Deutschen ist bei strengster Strafe verboten(6). Die Arbeiter werden bei Erfüllung ihrer Meldepflicht durch die Ortspolizeibehörden unter Verwendung des beiliegenden Merkblattes(7) mit unterlegtem fremdsprachigen Text eindringlich belehrt. Eine Belehrung der deutschen Bevölkerung wird durch die Parteidienststellen erfolgen.

(2) Die Kreispolizeibehörden haben Weisung erhalten, Arbeitskräfte, die gegen diese Vorschrift verstoßen, unverzüglich festzunehmen und der zuständigen Staatspolizei(leit)stelle melden zu lassen.

(3) Männliche Arbeitskräfte, die Geschlechtsverkehr mit Deutschen unterhalten haben, sind zur Sonderbehandlung, weibliche Arbeitskräfte zur Einweisung in ein Konzentrationslager vorzuschlagen. Die für die Sonderbehandlung der polnischen Zivilarbeiter ergangenen Vorschriften gelten entsprechend; dies gilt auch für die Behandlung der beteiligten deutschen Personen.

VII. Bearbeitung im Reichssicherheitshauptamt.

Anträge, Meldungen und Rückfragen, die sich aus der Behandlung der Arbeitskräfte aus den Baltenländern sowie derfremdvölkischen Arbeitskräfte nicht-polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten nach den vorstehenden Weisungen ergeben, sind dem für die Bearbeitung dieser Personen zuständigen Referat IV D 3 des Reichssicherheitshauptamtes zuzuleiten.

C. Arbeitskräfte polnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement und den eingegliederten Ostgebieten.

Die für Arbeitskräfte polnischen Volkstums geltenden Bestimmungen sind in der Anlage 1 unter C aufgeführt. Bei von polnischen Zivilarbeitern begangenen strafbaren Handlungen sind hinsichtlich der Weiterbehandlung der den Staatspolizei(leit)stellen vorgelegten Ermittlungsvorgänge die unter B IV dieses Erlasses ergangenen Richtlinien sinngemäß anzuwenden.

Für die Behandlung der Zivilarbeiter polnischen Volkstums ist im RSHA. nach wie vor das Referat IV D 2 zuständig.

An die IdS., den BdS. in Prag, alle Stapo(leit)stellen, Kripo(leit)stellen, SD-(L)A.

Nachrichtlich:

An die HSSuPF., BdS., KdS. im Generalgouvernement.

— Nicht veröffentlicht —

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(1) Vergl. Anlage 1.
(2) Anlage 2.
(3) vgl. 2 F XII.
(4) vgl. 2 G IV c
(5) Geändert durch RdErl. vom 7.12.1942, Abschn. VII.
(6) Geändert durch RdErl. vom 23.10.1943
(7) Anlage 3.

Quellen:

  1. Der Nürnberger Prozess, Urkunden und anderes Beweismaterial
    Delphin-Verlag, München 1989
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