NO-4317

70 Juden der Sonderbehandlung zugeführt

Der Kommandeur
der Sicherheitspolizei u. d. SD
- Weißruthenien -

Minsk, den 20. Juli 1943

Persönlicher Stab Reichsführer-SS
(Eingangsstempel:) Schriftgutverwaltung
Akt. Nr. Geh. / 102/22

Aktenvermerk

Am Dienstag, den 20. Juli 1943, habe ich befehlsgemäß gegen 7.00 Uhr die beim Generalkommissar Weißruthenien beschäftigten 70 Juden in Haft genommen und der Sonderbehandlung zugeführt.

Am gleichen Tage um 10.00 Uhr erhielt ich einen Anruf vom Generalkommissariat, daß der Gauleiter mich sofort zu sprechen wünsche. Ich kam diesem Wunsche nach. Der Gauleiter machte äußerlich einen ruhigen Eindruck, während aus seiner Sprache heraus zu hören war, daß er sich in höchster Erregung befand. Er befragte mich, wie ich dazu käme, die bei ihm beschäftigten Juden festzunehmen. Ich erklärte, daß ich strikten Befehl gehabt habe, diese Aktion durchzuführen. Er verlangte von mir einen schriftlichen Befehl. Ich entgegnete, mir genüge ein mündlicher Befehl, da ich diesen ebenso korrekt durchzuführen hätte, wie einen schriftlichen. Gauleiter Kube betonte dann, es handle sich um einen schweren Eingriff in seine Hoheitsrechte; die jüdischen Arbeitskräfte unterstünden ihm und es ginge nicht an, daß der Reichsführer-SS bzw. der Obergruppenführer von dem Bach in sein Generalkommissariat hineinregiere. Darüber hinaus fasse er diese Maßnahme als eine gegen ihn persönlich gerichtete Schikane auf. Wenn nur bei ihm und nicht bei allen Wehrmachts- und sonstigen Dienststellen die Juden entfernt würden, so müsse er darin einen persönlichen Angriff erblicken. Der Obergruppenführer von dem Bach sei bei seinem letzten Aufenthalt in Minsk bis 3.00 Uhr morgens sein Gast gewesen. Bei seinem derzeitigen Aufenthalt hätte er jedoch nichts von sich hören lassen. Er müsse daher annehmen, daß in diesem Zusammenhang die Judenaktion als besonderer Affront ihm gegenüber gedacht sei. Er könne selbstverständlich nicht seine Männer bewaffnen, um den SD an der Festnahme zu hindern. Er müsse sich also der Gewalt beugen. Er lasse jedoch keinen Zweifel darüber, daß er in Zukunft jede Zusammenarbeit mit der Polizei - insbesondere mit der Sicherheitspolizei - ablehne, er würde es auch nicht mehr gestatten, daß ein Angehöriger der Sicherheitspolizei sein Dienstgebäude in Zukunft betrete.

Wenn wir aber den Kampf wollten, so könne er auch anders. Er erinnere an den Fall SS-Hauptsturmführer Stark, der in einer sadistischen Weise 3 Weißrutheninnen mißhandelt habe und seinen Koffer mit Juwelen und Wertgegenständen mit nach Berlin genommen habe. Ich entgegnete darauf, daß der sogenannte Fall Stark zwar vor meiner Tätigkeit in Weißruthenien gelegen habe, daß ich ihn aber trotzdem überprüft hätte und daß ein Grund zum Einschreiten gegen Stark nicht vorgelegen habe. Die Wertgegenstände seien von Stark beim Hauptamt Wirtschaft und Bauten gemäß eines Reichsführer-Befehles abgeliefert worden. Der Gauleiter behauptete, auch das sei ungesetzlich, die Wertgegenstände hätten bei ihm abgegeben werden müssen. Der Reichsführer habe nicht die Berechtigung, derartige Befehle zu erteilen. Ich erwiderte, daß ich kein Recht hätte, die Befehle meines Reichsführers auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Wenn der Reichsführer mir einen Befehl erteile, so stehe es für mich fest, daß er auch die Befugnis dazu habe.

Kube befragte mich dann, ob ich mich denn auch genau so angelegentlich, wie ich mich um seine Juden kümmere, um die Viehtransporte an Obergruppenführer Berger gekümmert habe. Ich entgegnete, daß mir von solchen Viehtransporten nichts bekannt sei. Kube fand dies merkwürdig, da es doch die Pflicht der Polizei sei, derartige Ungesetzlichkeiten zu unterbinden.

Ich betonte, daß es mir unverständlich sei, daß deutsche Menschen wegen einiger Juden uneins würden. Ich könne immer wieder feststellen, daß man meinen Männern und mir Barbarei und Sadismus vorwerfe, während ich lediglich meine Pflicht täte. Sogar die Tatsache, daß Juden, die sonderbehandelt werden sollten, ordnungsmäßig durch Fachärzte Goldplomben entfernt worden seien, sei zum Gegenstand von Unterhaltungen gemacht worden. Kube entgegnete, diese Art unseres Vorgehens sei eines deutschen Menschen und eines Deutschlands Kants und Goethes unwürdig. Wenn der deutsche Ruf in aller Welt untergraben würde, so sei es unsere Schuld. Im übrigen sei es auch richtig, daß meine Männer sich an diesen Exekutionen geradezu aufgeilen würden. Ich habe gegen diese Darstellung energisch protestiert und betont, daß es bedauerlich sei, daß wir über diese üble Arbeit hinaus auch noch mit Schmutz übergossen würden.

Damit war die Unterredung beendet.

Strauch
SS-Obersturmbannführer.

Quellen:

  1. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 1956/1
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