2273-PS

Meldung der Einsatzgruppe A

Stahlecker, Einsatzgruppe A
Franz Walter Stahlecker
Kommandant der Einsatzgruppe A

Geheime Reichssache

Einsatzgruppe A

III.

Juden

Die systematische Säuberungsarbeit im Ostland umfasste gemäss den grundsätzlichen Befehlen die möglichst restlose Beseitigung des Judentums. Dieses Ziel ist mit Ausnahme von Weissruthenien im wesentlichen durch die Exekutionen von bislang 229 052 Juden (s. Anlage) erreicht. Der in den baltischen Provinzen verbleibende Rest wird dringend zur Arbeit benötigt und ist in Ghettos untergebracht.

Zur Erreichung dieses Zieles waren in den verschiedenen Gebieten des Ostlandes verschiedenartige Massnahmen erforderlich.

In den 3 baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen kam das Judentum erst nach der Machtübernahme durch den Bolschewismus entscheidend zur Geltung. Aber auch schon vorher waren der Einfluss der Juden einerseits und die antijüdischen Regungen der Bevölkerung andererseits sehr stark.

Im Nachstehenden werden die verschiedenen Gebiete des Ostlandes getrennt behandelt:

1.) Estland:

Da bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts Estland zu einer Sperrzone des russischen Reiches gehörte, in die der Zuzug jüdischer Elemente von auswärts verboten war, ist das Judentum im Lande zahlenmässig stets unbedeutend gewesen.

Zu Beginn des Jahres 1940 lebten in Estland rund 4.500 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von 1.2 Mill. Wesentlich stärker als der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung war ihr Einfluss auf das Wirtschaftsleben des Landes. Die estnische Industrie war z.B. zu 11% in jüdischen Händen. Zur bolschewistischen Zeit wurde zwar das jüdische Privateigentum auch nationalisiert, die Juden selbst jedoch fast überall in ihren früheren Unternehmungen als Leiter belassen. Durch Verbindungen zur NKWD. schafften sich die Juden eine sehr starke Position. Sie beherrschten die Presse, die Kulturinstitute, drängten sich in die freien Berufe, und hatten als einzige völkische Minderheit, neben den Deutschen, das Recht einer eigenen Kulturselbstverwaltung.

Mit dem Vormarsch der deutschen Truppen verliess die Mehrzahl der Juden, zusammen mit den sowjetrussischen Behörden, das Land. Etwa 2.000 Juden verblieben im Lande zurück. Davon wohnten in Reval allein fast 1000.

Der mit dem Anrücken der Wehrmacht gebildete estnische Selbstschutz begann zwar sofort Juden festzunehmen, doch unterblieben spontane Progrome [sic!]. Erst von Sicherheitspolizei und SD wurden die Juden nach und nach, sowie sie im Arbeitsprozess entbehrlich wurden, exekutiert.

Heute gibt es in Estland keine Juden mehr.

2.) Lettland:

Die Gesamtzahl der Juden in Lettland betrug im Jahre 1935: 93 479 oder 4.79% der Gesamtbevölkerung.

Bei der bolschewistischen Machtübernahme in Lettland im Juni 1940 gelang es den sowjetrussischen Rassegenossen den lettischen Juden, die vordem überwiegend zionistisch eingestellt waren, massgebenden Einfluss zu verschaffen. Während es vor 1940 in Lettland keine Juden als Staatsbeamte gab und überhaupt kein Jude in der Staatsverwaltung tätig war, waren in der sowjetrussischen Republik schnell alle einflussreichen Staatsstellungen in den Händen der Juden. Die Hälfte aller Richter war jüdisch. In den höheren Instanzen, insbesondere im Tribunal, betrug die Zahl bis zu 80%, Ebenso stark war der Einfluss der Juden auf die Wirtschaft und im kulturellen Leben.

Beim Einmarsch der deutschen Truppen gab es in Lettland noch 70.000 Juden. Der Rest war mit den Bolschewisten geflüchtet. Die verbliebenen Juden betätigten sich lebhaft als Saboteure und Brandstifter. So wurden in Dünaburg von den Juden derart viele Brände angelegt, dass ein grosser Teil der Stadt vernichtet wurde.

Nach dem Terror der jüdisch-bolschewistischen Herrschaft — es wurden insgesamt 33 038 Letten verschleppt, verhaftet oder ermordet — wäre ein umfassendes Progrom der Bevölkerung zu erwarten gewesen. Tatsächlich wurden jedoch durch einheimische Kräfte nur einige tausend Juden aus eigenem Antriebe beseitigt. Es war notwendig, in Lettland durch Sonderkommandos, unter Mithilfe ausgesuchter Kräfte der lettischen Hilfspolizei (meist Angehörige verschleppter oder ermordeter Letten) umfangreiche Säuberungsaktionen durchzuführen.

Bis zum Oktober 1941 wurden durch diese Sonderkommandos rund 30 000 Juden exekutiert. Die restlichen, noch mit Rücksicht auf Wirtschaftsbelange unentbehrlichen Juden, wurden in Gehttos zusammengefasst, die in Riga, Dünaburg und Libau errichtet wurden.

Im Zuge der Bearbeitung von Strafsachen wegen Nichttragens des Judensterns, Schleichhandels, Diebstahls, Betruges, aber auch um der Seuchengefahr in den Ghettos vorzubeugen, wurden in der Folgezeit weiter Exekutionen durchgeführt. So wurden am 9.11.1941 in Dünaburg 11 034, Anfang Dezember 1941 durch eine von Höheren SS- und Polizeiführer angeordnete und durchgeführte Aktion in Riga 27 800 und Mitte Dezember 1941 in Libau 2 350 Juden exekutiert. Zurzeit befinden sich in den Ghettos (ausser den Juden aus dem Reich) lettische Juden in

Rigarund2 500
Dünaburg"950
Libau"300

Diese sind als gute Fachkräfte für die Aufrechterhaltung der Wirtschaft z.Zt. noch unentbehrlich.

3.) Litauen:

Bis zum Einmarsch der Bolschewisten lebten nach einer Zählung im Jahre 1923 in Litauen 153 743 Juden, die damit 7.58% der Gesamtbevölkerung darstellten. Während ihr Einfluss bis dahin im wesentlichen auf die Wirtschaft beschränkt war, nahmen die litauischen Juden, die auch vorher schon illegal für den Boschewismus gearbeitet hatten, jetzt schnell einen beherrschenden Einfluss im öffentlichen Leben. Juden beiderlei Geschlechts unterstützten insbesondere die Tätigkeit der NKWD. Die Verschickung von 40 000 Litauern nach Sibirien ist auf die Vorarbeit der Juden zurückzuführen.

Beim Einmarsch der deutschen Truppen führte der Hass der Litauer gegen die Juden zu wirksamen Progromen, zumal die jüdisch-kommunistische Jugend noch viele Städte, die von den deutschen Panzertruppen in wenig beschädigtem Zustande durchfahren worden waren, mit vorher bereitgestellten Benzinkanistern in Brand gesteckt hatte.

Bei den allerdings unter wesentlicher Mithilfe von Sipo und SD durchgeführten Progromen von Litauern wurden in Kauen 3 800, in den kleineren Städten rund 1 200 Juden beseitigt.

Soweit es Juden gelungen war, zu fliehen, wurden sie nicht selten von den Bauern den Behörden ausgeliefert.

Diese spontanen Reinigungsaktionen reichten aber nicht aus, um den rückwärtigen Frontabschnitt zu stabilisieren, zumal der Eifer der einheimischen Bevölkerung auch alsbald nachliess.

Daher wurden durch ausgewählte Kommandos — meist in der Stärke 1:8 — zunächst die Gefängnisse, dann systematisch Kreis für Kreis des litauischen Gebietes von Juden beiderlei Geschlechts gesäubert. In vielen Einzelaktionen wurden insgesamt 136 421 Personen liquidiert. Bemerkenswert ist, dass dabei mehrere Juden tätlich gegen die eingesetzten Beamten und litauischen Hilfskräfte vorgingen und vor der Exekution noch ihre bolschewistische Einstellung kundtaten, indem sie Hochrufe auf Stalin ausbrachten und Deutschland schmähten.

Da die restlose Liquidierung der Juden aus Gründen des Arbeitseinsatzes nicht durchzuführen war, wurden Ghettos gebildet, die zurzeit wie folgt belegt sind:

Kauenrund15 000Juden
Wilna"15 000"
Schaulen"4 500"

Diese Juden werden im wesentlichen für wehrwichtige Arbeiten verwandt. So sind z.B. bis zu 5 000 Juden in 3 Schichten auf dem Flugplatz bei Kauen zu Erdarbeiten und dergleichen eingesetzt.

4.) Weissruthenien:

Der weissruthenische Raum ist von allen Ländern im Ostland am dichtesten mit Juden besetzt. Im Jahre 1926 wurden in der damaligen BSSR weit über 400 000 Juden gezählt. Die letzte polnische Volkszählung ergab in den damals noch zu Polen gehörenden Wojewoydschaften Bialystock, Nowo Grodlek, Polesien und Wilna mehr als 500 000 Juden. Diese Zahlen sind jedoch ungenau und sicherlich zu niedrig gegriffen, was daraus hervorgeht, dass weit mehr Personen "jiddisch" als ihre Muttersprache angegeben haben, als im gleichen Zählbezirk angeblich Juden vorhanden waren. Weitaus die Hälfte der Juden im weissruthenischen Siedlungsraum lebte bei Kriegsbeginn in den größeren Städten. In ganz besonderem Masse war Minsk mit Juden besetzt, wo es 1939 bei einer Einwohnerzahl von 238 000 rund 100 000 Juden gab.

Die soziologische Struktur des Judentums zeigte sowohl im ehem. polnischen Gebiet, wie auch in dem schon vor dem russisch-polnischen Kriege bolschewistischen Gebiet Weissrutheniens eine breite Unterschicht ausgesprochen armer Juden.

Die verhältnismässig dünne Oberschicht beherrschte im ehem. polnischen Gebiet, insbesondere auf Grund ihrer starken wirtschaftlichen Position und im altrussischen Gebiet auf Grund ihres Einflusses in den führenden Parteistellen, schlechthin alle Lebensgebiete. Der Jude im ehemals polnischen Gebiet ist wegen seiner Intelligenz und Aktivität ein besonders gefährliches Element. Aber auch der sowjetrussische Jude hat in den 25 Jahren bolschewistischer Herrschaft ein sehr selbstbewusstes und arrogantes Wesen angenommen, das er sogar noch bei dem Einzug der deutschen Truppen beibehielt.

Die endgültige und grundlegende Beseitigung der nach dem Einmarsch der Deutschen im weissruthenischen Raum verbliebenen Juden stösst auf gewisse Schwierigkeiten. Das Judentum bildet gerade hier einen ausserordentlich hohen Prozentsatz der Facharbeiter, die mangels anderweitiger Reserven im dortigen Gebiet unentbehrlich sind. Ferner hat die Einsatzgruppe A das Gebiet erst nach Eintritt des starken Frostes übernommen, die [!] Massenexekutionen stark erschwerten. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Juden über das ganze Land weit verstreut wohnen. Bei den grossen Entfernungen, den schwierigen Wegeverhältnissen, dem Mangel an Kraftfahrzeugen und Benzin und den geringen Kräften der Sicherheitspolizei und des SD sind die Erschiessungen auf dem Lande nur unter Anspannung aller Kräfte möglich. Trotzdem wurden bisher 41 000 Juden erschossen. Hierin sind nicht die Zahlen der durch die früheren Einsatzkommandos durchgeführten Aktionen enthalten. Nach schätzungsweisen Angaben sind von der Wehrmacht bis Dezember 1941 ungefähr 19 000 Partisanen und Verbrecher, d.h. also in der Mehrzahl Juden erschossen worden. Zurzeit kann für das Gebiet des Generalkommissariats noch mit einer Gesamtzahl von rund 128 000 Juden gerechnet werden. In Minsk selbst leben zurzeit — ohne Reichsdeutsche — rund 18 00 Juden, deren Erschiessung mit Rücksicht auf den Arbeitseinsatz zurückgestellt werden musste.

Der Kommandeur in Weissruthenien ist trotz der schwierigen Lage angewiesen, die Judenfrage baldmöglichst zu liquidieren. Ein Zeitraum von ca. 2 Monaten wird jedoch — je nach Witterung — noch notwendig sein.

Die Abgrenzung der verbliebenen Juden in bes. Ghettos ist auch in den Städten in Weissruthenien nahezu abgeschlossen. Sie werden von Dienststellen der Wehrmacht, der Zivilverwaltung und deutschen Behörden zum Arbeitseinsatz in weitestgehendem Masse herangezogen.

Die Ernährung der Juden in den Ghettos bildet besonders in Weissruthenien, aber auch in Litauen, erhebliche Schwierigkeiten. Neben dem allgemeinen Nachlassen der Arbeitskraft liegt darin eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber allen seuchenartigen Krankheiten.

5.) Die Juden aus dem Reich:

Seit Dezember 1940 trafen aus dem Reich in kurzen Abständen Judentransporte ein. Davon wurden 20 000 Juden nach Riga und 7 000 Juden nach Minsk geleitet. Die ersten 10 000 nach Riga evakuierten Juden wurden z.T. in einem provisorisch ausgebauten Auffanglager, z.T. in einem neu errichteten Barackenlager in der Nähe von Riga untergebracht. Die übrigen Transporte sind zunächst in einen abgetrennten Teil des Rigaer Ghettos eingewiesen worden.

Der Bau des Barackenlagers wird unter Einsatz aller arbeitsfähigen Juden so weiter geführt, dass im Frühjahr alle evakuierten Juden, die den Winter überstehen, in dieses Lager eingewiesen werden können.

Von den Juden aus dem Reich ist nur ein geringer Teil arbeitsfähig. Etwa 70 — 80% sind Frauen und Kinder sowie alte, arbeitsunfähige Personen. Die Sterblichkeitsziffer steigt ständig, auch infolge des aussergewöhnlich harten Winters.

Die Leistungen der wenigen einsatzfähigen Juden aus dem Reich sind zufriedenstellend. Sie sind als Arbeitskräfte auf Grund ihrer deutschen Sprache und ihrer verhältnismässig grösseren Sauberkeit mehr begeht [!] als die russischen Juden. Bemerkenswert ist die Anpassungsfähigkeit der Juden, mit der sie ihr Leben den Umständen entsprechend zu gestalten versuchen.

Die in allen Ghettos vorhandene Zusammendrängung der Juden auf kleinstem Raum bedingt naturgemäss eine grössere Seuchengefahr, der durch den Einsatz jüdischer Ärzte weitestgehend entgegengewirkt wird. In einzelnen Fällen wurden ansteckend erkrankte Juden unter dem Vorwand, in ein jüdisches Altersheim oder Krankenhaus verbracht zu werden, ausgesondert und exekutiert.


Anlage

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Quellen:

  1. Der Nürnberger Prozess, Urkunden und anderes Beweismaterial
    Delphin-Verlag, München 1989
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