4059-PS

Ein französischer General muss sterben

  1. Anlage: Modalität
  2. Endgültige Klärung der Modalitäten
  3. Ermordung "auf der Flucht" oder durch Kohlenoxydgas
  4. Kaltenbrunner: Personal wird vom RSiHA gestellt
  5. "Für die ordnungsgemäße Erledigung der Nacharbeiten (...) ist vorgesorgt

Ernst Kaltenbrunner in Nürnberg
Ernst Kaltenbrunner in Nürnberg

[1. Schreiben]

Anlage:

a) Modalität:

Im Lager Königstein befinden sich 75 französische Generäle. Schon seit langer Zeit besteht die aktenkundliche Absicht, diese französischen Generäle zu verlagern, da man Königstein fur andere Zwecke benötigt. Dieses Vorhaben ist bisher nicht durchgeführt worden.

Man wird jetzt mit der Verlagerung in der Form beginnen, dass als erster Schub 5 - 6 französische Generäle, jeder in einem besonderen Auto, an einen anderen Ort gebracht werden. Im Auto befinden sich jeweils der Fahrer und ein deutscher Begleiter. Der Wagen hat Wehrmnachtsabzeichen. Die beiden Deutschen tragen Wehrmachtsuniform. Es handelt sich um besonders ausgesuchte Leute. Auf der Fahrt wird der Wagen des Generals Deboisse eine Panne haben, um ihn von den anderen abzusondern. Bei dieser Gelegenheit soll der General durch gezielten Ruckenschuss "auf der Flucht" erschossen werden. Als Zeitpunkt ist Dammerung vorgesehen. Es wird sichergestellt, dass keine Landbewohner in der Nahe sind. Aus Gründen der Nachforschungssicherheit ist geplant, die Leiche zu verbrennen und die Urne nach dem Friedhof der Festung Königstein zu überfuhren. Entschieden müsste noch werden, ob die Beisetzung dieser Urne mit militärischen Ehren erfolgen soll oder nicht. Es ist sicherzustellen, daß arztlicher Befund, Leichenschein, Verbrernnungsschein ordnungsgemäss ausgestellt werden. Tatortskizze und genauer Bericht werden angefertigt. Grosse Bedenken dagegen, daB keine Verbrennung stattfande, bestehen nicht. Diese Frage will der SD noch einmal intern überprufen.

b) Pressenotiz

Es ist auf jeden Fall auffällig, daß überhaupt die Tatsache eines Fluchtversuches eines französischen Offiziers in die Presse gebracht wird. Damit ist jedoch sichergestellt, daß diese Massnahme, die als Repressalie gedacht ist, auch in die Öffentlichkeit kommt. Der Text der Pressenotiz wird erst festgelegt, wenn die Modalitäten festliegen. Ausserdem wird noch einmal die Charakteristik des französischen Generals überprüft. Im übrigen wird sich aber das Kommuniqué stark an den Text der Reuter-Verlautbarung anlehnen.

c) Schutzmachtuntersuchung:

Durch die Auswahl der beteiligten Personen, und die Anfertigung aller aktenmassigen Unterlagen ist sichergestellt, daß bei einem Untersuchungsbegehren der Schutzmacht die zur Abweisung der Beschwerde notwendigen Unterlagen vorhanden sind.

Berlin, den [ ]
November 1944
Wg.


[2. Schreiben]

Inl. II B
LR Dr. Bobrik

SS-Oberführer Panzinger teilt mit, daß in der besprochenen Angelegenheit die Vorbereitungen verschiedentlich abgeändert worden seien, er jedoch gerade mit Oberst Meurer noch einmal gesprochen habe, um die Modalitäten endgültig zu klären. Er sagte uns dafür Mitte-Ende dieser Woche einen Plan über die Ausgestaltung des Vorhabens zu.

Hiermit
Herrn Gruppenleiter Inl.II
vorgelegt.

Berlin, den 28. November 1944.

Bobrik 28.11.
2) Wv. mir


[3. Schreiben]

Gruppe Inland II

Persönlich!
Streng vertraulich!

Betr.: Französichen[!] General.

SS-Oberfuhrer Panzinger teilt zur Unterrichtung mit, daß die Vorbereitungen wegen des franzoesischen Generals so weit abgeschlossen waren, daß dem Reichsführer-SS ein Bericht über die beabsichtigte Durchführung dieser Tage vorgelegt werde.

Der französische General soll mit vier anderen jüngeren Generälen von der Festung Königstein in ein neues Gefangenenlager überführt werden. Der Transport wird in 3 Kraftwagen durchgeführt, wobei in die beiden ersten Wagen je 2 der dienstjüngeren Generale einsteigen, wahrend der dienstälteste hier in Frage stehende General in dem letzten allein fahren soll, um ihm seinem Rang entsprechend eine besondere Behandlung zuteil werden zu lassen. Die Wagen werden von SS-Angehörigen in Wehrmachtuniform gefahren. Die Kraftwagen tragen Wehrmachtabzeichen.

Der Befehl wird während der Fahrt ausgeführt, und zwar entweder

1. durch Erschiessen auf der Flucht.

Unterwegs hält der Kraftwagen an geeigneter Stelle, während die anderen zwei Wagen weiterfahren. Der General wird auf der Flucht "durch wohlgezielte von hinten gegebene Schüsse" getötet. Die Untersuchung der Leiche, auch eine eventuelle spätere Obduktion, bestätigt die Feststellung, daB der General bei einem Fluchtversuch tötlich[!] getroffen worden ist.

2. Durch Vergiftung mit Kohlenoxydgas.

Hierfur ist ein besonders gebauter Wagen erforderlich, der bereits fertig konstruiert ist. Der General sitzt allein auf den Rücksitzen. Die Türen sind, um ein Herausspringen während der Fahrt zu verhindern, abgeschlossen. Die Scheiben sind wegen des kalten Winterwetters hochgedreht. Die Scheibe zum Fahrerplatz, neben dem der Begleiter sitzt, ist geschlossen. Etwaige Fugen sind besonders abgedichtet. Durch eine besondere Apparatur die vom Vordersitz bedient wird, wird geruchloses Kohlenoxydgas während der Fahrt in den Innenraum eingelassen. Ein paar Atemzüge genugen, um ihn sicher zu töten. Da das Gas geruchlos ist, soll der General im fraglichen Augenblick keinen Verdacht schöpfen konnen, um etwa durch Zerschlagen der Fenster Frischluft hineinzulassen. Die Todesursache ist an der Hautfarbung als typisches Merkmal einwandfrei zu erkennen. Es wird festgestellt, daß durch Undichtigkeiten der Auspuffrohre Abgase aus dem Motor in das Innere gedrungen sind, die seinen Tod unbemerkt herbeigefuhrt haben.

Ein Durchschlag des Berichts an den Reichsführer-SS soll nach Abgang dem Auswärtigen Amt zur Verfugung gestellt werden.

Hiermit
über Herrn Botschafter Ritter
Herrn St.S.

zur Vorlage
bei dem
Herrn Reichsaussenminister.

Berlin, den 13. Dezember 1944.

gez. Wagner
v.Thadden

2) Wv. mir.
Bobrik
13.12.


[4. Schreiben]

Abschrift.

Der Chef der Sicherheitspolizei
und des SD.

VCB. Nr. 831/44 gRs

Berlin SW 11, am 30. Dezember 1944
Prinz-Albrecht-Strasse 8
Fernsprecher 1200 40

Geheime Reichssache!

Bitte in der Antwort vorstehendes
Geschäftszeichen und Datum anzugeben

Schnellbrief

An
Reichsführer-SS
Feld-Kommandostelle

Zum FS Kdo.Stab Gmund Nr.460 und FS-Zwischenbericht vom 4.12.1944.

---

Reichsführer!

In der Angelegenheit haben mit dem Chef des Kriegsgefangenenwesens und dem Auswärtigen Amt die befohlenen Besprechungen stattgefunden, die zu folgendem Vorschlag führen:

1) Im Zuge einer Verlegung von 5 Leuten in 3 Kraftwagen mit Wehrmachtkennzeichen tritt der Fluchtfall ein, als der letzte Wagen eine Panne hat, oder

2) tritt Kohlenoxyd durch Bedienung vom Führersitz aus in den abgeschlossenen Fond des Wagens. Die Apparatur kann mit einfachsten Mitteln angebracht und sofort wieder entfernt werden. Ein entsprechender Wagen konnte nach erheblichen Schwierigkeiten jetzt beschafft werden.

3) Andere Moglichkeiten der Vergiftung durch Speise oder Trank sind geprüft, aber nach mehreren Versuchen als zu unsicher wieder verworfen worden. Für ordnungsmässige Erledigung der Nacharbeiten, wie Meldung, Obduktion, Beurkundung, Beisetzung, ist vorgesorgt.

Transportführer und Fahrer werden vom RSiHA gestellt und treten in Wehrmachtsuniform mit zugeteiltem Soldbuch auf.

Wegen der Pressenotiz ist mit dem Geheimrat Wagner vom Auswärtigen Amt Verbindung aufgenommen. Wagner teilte dabei mit, daß der Reichsaussenminister mit Reichsführer über den Fall noch sprechen möchte.

Die Auffassung des Reichsaussenministers ist, dass gleichartig, und zwar in jeder Richtung, vorzugehen sei.

Inzwischen ist noch bekanntgeworden, dass der Name des Betreffenden im Laufe verschiedener Ferngespräche zwischen Führerhauptquartier und Chef Kriegsgefangenenwesen genannt worden war, so daß Chef Kriegsgefangenenwesen vorschlägt, einen anderen, aber gleich Beurteilten zu verwenden. Ich pflichte dem bei und bitte, die Auswahl Chef Kriegsgefangenenwesen zu überlassen.

Ich bitte um Weisung.

Heil Hitler!
Ihr
gehorsamer
gez.: Dr. Kaltenbrunner.


[5. Schreiben]

::-:: Persönlich! ::-::

::-:: Streng vertraulich! ::-::

Herrn LR Dr.Krieger - R XV
Hildebrandstr.5.

Unter Bezugnahme auf die
telefonische Besprechung.

Ein französischer kriegsgefangener General wird eines unnatürlichen Todes durch Erschießung auf der Flucht oder Vergiftung sterben. Für die ordnungsgemäße Erledigung der Nacharbeiten wie Meldung, Obduktion, Beurkundung, Beisetzung ist vorgesorgt.

Die Weisung des Herrn RAM lautet, die "Angelegenheit mit Gesandten Albrecht zu besprechen, um genau festzustellen, welche Rechte der Schutzmacht in dieser Angelegenheit zustehen würden, um das Vorhaben damit abstimmen zu können.

Ich wäre daher dankbar, wenn Sie mir einer Absprache mit Gesandten Albrecht entsprechend eine Aufzeichnung zwecks Vorlage bei dem Herrn RAM zuleiten könnten.

In Frage kamen m.E.u.a.evtl. Rechte der Kommission General Bridoux, des Internationalen Roten Kreuzes oder sonstiger Stellen, z.B. auf Exhumierung, nachträgliche gerichtsärztliche Untersuchung usw, daneben Anzeige an Wehrmachtsauskunftsstelle, Meldung an Bridoux, Ausfüllung von Fragebögen für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz unter Übersendung etwaiger Nachlassgegenstande und dergl.

Berlin, den 12. Januar 1945.

Quellen:

  1. IMT, Band XXXIV, S. 123ff
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