22.05.1939

Der Stahlpakt

Der deutsche Reichskanzler und Seine Majestät der König von Italien und Albanien, Kaiser von Äthiopien, halten den Zeitpunkt für gekommen, das enge Verhältnis der Freundschaft und Zusammengehörigkeit, das zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien besteht, durch einen feierlichen Akt zu bekräftigen. Nachdem durch die gemeinsame, für alle Zeiten festgelegte Grenze zwischen Deutschland und Italien die sichere Brücke für gegenseitige Hilfe und Unterstützung geschaffen worden ist, bekennen sich beide Regierungen aufs neue zu der Politik, die in ihren Grundlagen und Zielen bereits früher von ihnen vereinbart worden ist und die sich sowohl für die Förderung der Interessen der beiden Länder als auch für die Sicherung des Friedens in Europa erfolgreich bewährt hat. Durch die innere Verwandtschaft ihrer Weltanschauung und durch die umfassende Solidarität ihrer Interessen fest miteinander verbunden, sind das deutsche und das italienische Volk entschlossen, auch in Zukunft Seite an Seite und mit vereinten Kräften für die Sicherung ihres Lebensraumes und für die Aufrechterhaltung des Friedens einzutreten. Auf diesem ihnen von der Geschichte vorgezeichneten Wege wollen Deutschland und Italien inmitten einer Welt der Unruhe und Zersetzung der Aufgabe dienen, die Grundlagen der europäischen Kultur zu sichern.

Um diese Grundsätze vertraglich festzulegen, haben zu Bevollmächtigten ernannt: Der Deutsche Reichskanzler den Reichsminister des Auswärtigen, Herrn Joachim v. Ribbentrop; Seine Majestät der König von Italien und Albanien, Kaiser von Äthiopien, den Minister für die Auswärtigen Angelegenheiten, Graf Galeazzo Ciano di Cortellazzo, die sich nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über folgende Bestimmungen geeinigt haben:

Art. I. Die Vertragschließenden Teile werden ständig in Fühlung miteinander bleiben, um sich über alle ihre gemeinsamen Interessen oder die europäische Gesamtlage berührenden Fragen zu verständigen.

Art. II. Falls die gemeinsamen Interessen der Vertragschließenden Teile durch internationale Ereignisse irgendwelcher Art gefährdet werden sollten, werden sie unverzüglich in Beratungen über die zur Wahrung dieser Interessen zu ergreifenden Maßnahmen eintreten. Wenn die Sicherheit oder andere Lebensinteressen eines der Vertragschließenden Teile von außen her bedroht werden sollten, wird der andere Vertragschließende Teil dem bedrohten Teil seine volle politische und diplomatische Unterstützung zuteil werden lassen, um diese Bedrohung zu beseitigen.

Art. III. Wenn es entgegen den Wünschen und Hoffnungen der Vertragschließenden Teile dazu kommen sollte, daß einer von ihnen in kriegerische Verwicklungen mit einer andern Macht oder mit andern Mächten gerät, wird ihm der andere Vertragschließende Teil sofort als Bundesgenosse zur Seite treten und ihn mit allen seinen militärischen Kräften zu Lande, zur See und in der Luft unterstützen.

Art. IV. Um im gegebenen Falle die schnelle Durchführung der in Art. III übernommenen Bündnispflichten sicherzustellen, werden die Regierungen der beiden Vertragschließenden Teile ihre Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet und auf dem Gebiete der Kriegswirtschaft weiter vertiefen.

In gleicher Weise werden sich die beiden Regierungen auch über andere zur praktischen Durchführung der Bestimmungen dieses Paktes notwendige Maßnahmen fortlaufend verständigen. Die beiden Regierungen werden zu den vorstehend in Absatz 1 und 2 angegebenen Zwecken ständige Kommissionen bilden, die der Leitung der beiden Außenminister unterstellt sind.

Art. V. Die Vertragschließenden Teile verpflichten sich schon jetzt, im Falle eines gemeinsam geführten Krieges Waffenstillstand und Frieden nur in vollem Einverständnis miteinander abzuschließen.

Art. VI. Die beiden Vertragschließenden Teile sind sich der Bedeutung bewußt, die ihren gemeinsamen Beziehungen zu den ihnen befreundeten Mächten zukommt. Sie sind entschlossen, diese Beziehungen auch in Zukunft aufrechtzuerhalten und gemeinsam entsprechend den übereinstimmenden Interessen zu gestalten, durch die sie mit diesen Mächten verbunden sind.

Art. VII. Dieser Pakt tritt sofort mit der Unterzeichnung in Kraft. Die beiden Vertragschließenden Teile sind darüber einig, die erste Periode seiner Gültigkeit auf 10 Jahre festzusetzen. Sie werden sich rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist über die Verlängerung der Gültigkeit des Paktes verständigen.

In Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Pakt unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen. Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und italienischer Sprache, die beide gleiche Geltung haben.

Berlin, den 22. Mai 1939 - im XVIIten Jahre der Faschistischen Ära.


Geheimes Zusatzprotokoll zu dem italienisch-deutschen Vertrag (22.05.1939)

Bei Unterzeichnung des Freundschafts- und Bündnispaktes ist das Einverständnis beider Teile über folgende Punkte festgelegt worden:

1. Die beiden Außenminister werden sich mit möglichster Beschleunigung über die Organisation, den Sitz und die Arbeitsmethoden der in Art. IV des Paktes vorgesehenen, ihrer Leitung unterstellten Kommissionen für militärische und kriegswirtschaftliche Fragen verständigen.

2. In Durchführung des Art. IV, Absatz 2 des Paktes werden die beiden Außenminister mit möglichster Beschleunigung die notwendigen Maßnahmen treffen, um auf dem Gebiete der Presse, des Nachrichtenwesens und der Propaganda eine dem Geiste und den Zielen des Paktes entsprechende ständige Zusammenarbeit sicherzustellen.

Zu diesem Zweck wird insbesondere jeder der beiden Außenminister der Botschaft seines Landes in der andern Hauptstadt einen oder mehrere besonders erfahrene Sachverständige zuteilen, die in direkter Zusammenarbeit mit dem dortigen Außenministerium fortlaufend die Schritte beraten, die auf dem Gebiet der Presse, des Nachrichtenwesens und der Propaganda zur Förderung der Politik der Achse und zur Gegenwirkung gegen die Politik der gegnerischen Mächte an-gebracht sind.

Berlin, den 22. Mai 1939 - im XVIIten Jahre der Faschistischen Ära.

Quelle:

  1. Michael Freund (Hrsg.)
    Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Dokumenten, Bd. 3, S. 327ff
    Freiburg im Breisgau, 1956
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