21.09.1938

Polen meldet Ansprüche an

Herr Minister!

In meiner Demarche vom 19. September hatte ich die Ehre, die Regierung S. M. über die Haltung meiner Regierung hinsichtlich des Problems der polnischen Minderheit in der Tschechoslowakei zu informieren. Insbesondere betonte ich die Tatsache, daß die polnische Regierung, die sich auf den Grundsatz der gleichen Behandlung für alle in Frage kommenden Minderheiten stützt, gezwungen sein würde, für das Gebiet, das. durch eine polnisch sprechende Bevölkerung bewohnt wird, die Anwendung und Durchführung derselben Maßnahmen zu verlangen, wie sie für das Sudetengebiet zugestanden werden.

Bei der Bekräftigung dieser Haltung wird die polnische Regierung nicht nur durch das Prinzip der Gleichberechtigung beseelt, sie ist vielmehr auch überzeugt, daß die Krise in Mitteleuropa endgültig nicht ohne die Lösung aller Minderheitenprobleme in der Tschechoslowakei gelöst werden kann.

Die polnische Regierung ist fest überzeugt, daß diese Lösung nur erreicht werden kann, wenn den berechtigten Ansprüchen aller nationaler Gruppen einschließlich der Polen und ungarischen Gruppen Rechnung getragen würde.

Ich habe daher Ew. Exzellenz zu informieren, daß die polnische Regierung gezwungen wäre - falls dieser Gesichtspunkt nicht angenommen würde -, zu ihrem großen Bedauern ihre Haltung hinsichtlich ihrer Mitarbeit bei der vorgeschlagenen Regelung der in Frage stehenden Probleme zu revidieren.

Ich benütze die Gelegenheit, um Ew. Exzellenz den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung auszusprechen.

Ihr Raczynski

Siehe auch:

Quelle:

  1. Michael Freund
    Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten (1), S. 163
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